Wann alles begann
Es war im Juni 1948. Der Zweite Weltkrieg war gerade drei Jahre vorüber. Es gab noch keine verbriefte Verfassung, keine Bundesrepublik Deutschland. Dülmen hatte es sehr schwer getroffen. Aus dem verträumten kleinen Städtchen mit Fachwerkhäusern und windigen Gassen war ein riesiges Trümmerfeld geworden, bei dessen Anblick selbst dem Kühnsten aller Mut hätte schwinden müssen.
Genau an dem Punkt begann sich das zu verwirklichen, was vor allem im Ausland als Phänomen bezeichnet wurde. Nicht Resignation machte sich breit, nicht Gram über das Gewesene. Dem Jetzt und der Zukunft galt alle Aufmerksamkeit. Diese Zukunft begann für ganz Deutschland am 20. Juni 1948. Die Reichsmark aufhörte zu existieren und die D-Mark wurde geboren.
Wie alles begann
Die Reichsmark hatte nur mehr wenige Stunden zu leben, als sich am 19. Juni 1948 zwei begeisterte Stenografen in Münster auf ein Motorrad setzten, um über die holprige Chaussee nach Dülmen zu fahren: Heinz Braatz und der damals 33-jährige Hans Bonn. Im noch nicht fertig gestellten Saal des heutigen „Hotel am Markt“ und später in der alten Baracke desselben Hotels leitete der Studienassessor Hans Bonn die Gründungsversammlung des Stenografenvereins Dülmen.
Schon bei der Gründungsversammlung zeigte sich, wie groß Bedürfnis und Interesse der Jugend an der Aus- und Weiterbildung in Kurzschrift und im Tastschreiben waren. Auch Wirtschaft und Verwaltung zeigten sich gleich zu Beginn aufgeschlossen und zur Unterstützung bereit. Die Gründungsversammlung von 1948 hatte Adolf Fiedler zum 1. Vorsitzenden des Vereins gewählt. Die Mitgliederzahl wuchs schnell. Mehr und mehr junge Menschen erkannten die neue Möglichkeit sich einerseits fortzubilden, andererseits aber auch aus dem Grau des Nachkriegsalltags herauszukommen. Schon 1949 entsandte der junge Verein einige aktive Teilnehmer zum Bezirksleistungsschreiben nach Osnabrück. Als 1950 die Arbeit ein wenig zu stagnieren schien, wurde der Mitbegründer Hans Bonn an das städtische neusprachliche Gymnasium in Dülmen versetzt. Mitte des Jahres 1950 wurde Hans Bonn 1. Vorsitzender des Stenografenvereins.
Willkommen im Vereinsleben
Schon 1951 holte der neue Vorsitzende den Bezirkstag des Teutoburger Waldes nach Dülmen. Eine große Zahl von Schreiberinnen und Schreibern aus vielen Vereinen des Bezirks kämpfte in den noch immer vom Krieg gezeichneten Räumen des alten Gymnasiums und der Overberg-Schule um Silben und Anschläge. Den Zeitungsberichten war zu entnehmen, wie wohl sich alle fühlten. Wohl fühlten sich aber auch jene kleinen Pennäler, die zwischen beiden Schulen pendelten - die meisten zu Fuß, einige wenige mit rostigen Fahrrädern - um Ergebnisse und Listen, Fragen und Informationen hin- und herzutragen. Die Jugend engagierte sich zusehends und wurde zu einem Stützpfeiler des Vereinslebens.
Selbstverständlich wurden viele der so überzeugten jungen Menschen Mitglieder im Verein und bald war die Zahl 200 überschritten. Die Zahl der Lehrgänge wuchs. In gleichem Umfang wuchs die Arbeit in der Betreuung, vor allem der jugendlichen Mitglieder.
Erste Erfolge
Von Anfang an wollte der Verein auch Wettkämpfe mit anderen Schriftfreunden. So wurden in den ersten Jahren die Bezirkstage in Ibbenbüren, Rheine, Gronau, Coesfeld, Warendorf, Münster und Osnabrück sowie die Verbandstage in Münster, Osnabrück, Gelsenkirchen-Buer und Düsseldorf von einer Gruppe Aktiver besucht. Auch bei den Deutschen Stenografentagen ab 1953 sah man Dülmener Vereinsmitglieder. Besuchten ab dem Jahr 1955 noch “Schlachtenbummler“ die Weltmeisterschaften in Monte Carlo, so trat im Jahr 1973 mit Ludwig Holiet erstmals ein Schreiber aus Dülmen an.
1958 – eine Bilanz nach 10 Jahren
Als im Juni 1958 der Stenografenverein Dülmen 10 Jahre alt wurde, verband er mit diesem ersten Jubiläum die Ausrichtung einer Fachtagung des Bezirks Teutoburger Wald.
Stellvertretend für alle Beweise der Anerkennung mögen einige Worte stehen, die dem Verein mit einem Geschenk von der Stadt Dülmen übergeben wurden: “… 10 Jahre bedeuten allgemein noch keine große Zeitspanne. Im Leben eines Vereins, der sich die besondere Aufgabe gestellt hat, seine Mitglieder beruflich zu fördern, bedeutet diese Zeitspanne aber schon sehr viel. Hunderte von Mitgliedern sind durch seine hervorragende Schulung gegangen, zum Nutz und Frommen seiner Mitglieder selbst, nicht zuletzt aber auch zum Nutzen der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung.“
1973 – eine Bilanz nach 25 Jahren
Noch klingen die Worte der Anerkennung zum 10-jährigen Vereinsbestehen in den Ohren. Die Jugendarbeit wird intensiviert, eigentlich hat sich am Vorwärtsdrang des Vereins nichts geändert.
Während viele befreundete Vereine sich über schwindende Mitgliederzahlen beschweren, zeigt der Mitgliedertrend des Stenografenvereins Dülmen weiter nach oben. Zügig entwickelte sich der Verein zu einem der mitgliederstärksten Vereine in Bezirk und Verband. Aus dem „Kleinstadtverein“ wurde einer der stärksten und bekanntesten Stenografenvereine Deutschlands.
Ausblick
Statistiken können überwältigend sein, Rückblicke ergreifend, manchmal gar wehmütig. Dennoch gilt es, manches zu verbessern, manches anders zu tun. Wie sich das Bild des wieder erstehenden Dülmens am Anfang einer Chronik abhebt von der Luftaufnahme aus der jüngsten Vergangenheit, so haben sich die äußeren Voraussetzungen stark verändert.
Der Stenografenverein vermittelt das Tastschreiben nach neuesten Lehrmethoden an modernen Notebooks, pflegt die Stenografie und besitzt weit über die Dülmener Grenzen hinaus einen ausgezeichneten Ruf, der nicht zuletzt durch die Spitzenleistungen seiner Mitglieder auf allen Wettschreiben zurückzuführen ist.
Mit Annemarie Mersch als amtierender Jugendweltmeisterin in den Disziplinen Kurzschrift, Textkorrektur sowie Korrespondenz und Protokollführung startet der Stenografenverein Dülmen durch.